Trainingszeit ist gerade in den unteren Spielklassen ein rares Gut. Warum sollte man als Trainer also nicht direkt die Erwärmung und Mobilisierung zu Beginn der Trainingseinheit dafür nutzen, an einem Detail im Bewegungsablauf der Spieler zu feilen? In diesem Artikel soll es um die schnelle Körperdrehung gehen, wobei wir einen Blick über den Tellerrand wagen und schauen wie eine Körperdrehung im Karate ausgeführt wird und welche Anregung wir fußballspezifisch übernehmen und trainieren können.
Es soll bei den im folgenden vorgestellten Ideen keinesfalls darum gehen, eine Idealtechnik zu trainieren oder gar einzuschleifen. Vielmehr ist die Idee, den Spielern durch Erklärungen und vor allem Bewegungserfahrungen die Vorteile der anfangs vermutlich etwas ungewohnten Bewegungsausführung bewusst zu machen.
Wozu Körperdrehungen üben?
Im defensiven eins gegen eins sind schnelle Reaktionen vornehmlich Richtungsänderungen und Körperdrehungen gefragt, insbesondere bei beweglichen fintenreichen Gegenspielern. Schaffen wir es, dass sich unsere Spieler schneller und effektiver drehen und somit schneller auf die Finte eines Gegenspielers reagieren können, werden sich ihre Chancen im direkten Duell verbessern. Natürlich hängt der Erfolg auch stark von der Wahrnehmung und dem individualtaktischen Geschick des Spielers ab, eine gute physische Grundlage ist aber sicherlich förderlich.
Drehungen im Karate
Schnelle Drehungen sind in vielen Sportarten relevant. Sie genießen aber insbesondere im Training von Kampfsportarten einen deutlich höheren Stellenwert, als beispielsweise im Fußball. Auf den ersten Blick sind Karate und Fußball grundverschieden. Blickt man jedoch detaillierter auf die Anforderungen eines defensiven Zweikampfs im Fußball, so findet man schnell Gemeinsamkeiten. In beiden Sportarten muss man offensichtlich blitzartig auf Aktionen und Bewegungen des Gegners reagieren.
Im Karate möchte man den Schlägen und Tritten des Gegners ausweichen um nicht getroffen zu werden. Ziel ist es, sich blitzartig aus der Angriffsrichtung des Gegners heraus zu bewegen, meist mit Hilfe einer Drehung um die Längsachse im Winkel von 45°-60° und gegebenenfalls einem folgenden Gleitschritt. Diese Bewegung ähnelt stark der geforderten Bewegung eines Verteidigers im Fußball, wenn der Angreifer im direkten 1:1 plötzlich die Richtung wechselt. Es ist daher bestimmt nicht falsch, zu schauen, wie diese Drehung im Karate ausgeführt wird.
Im Karate geht die Körperdrehung immer von einem Bewegungsimpuls der Hüfte aus. Diese Bewegung fühlt sich anfangs ungewohnt an, da Spieler intuitiv dazu neigen, Drehungen durch Setzen eines Beins auszuführen. Meist wird das Bein auf der Seite, zu der gedreht werden soll, kreisförmig seitlich nach hinten geführt. Physikalisch gesprochen führt dies dazu, dass sich signifikante Teile der Körpermaße von der Rotationsachse (gedachte senkrechte Linie durch die Mitte des Körpers) entfernen und die Drehung dadurch verlangsamen. Zudem ist die Rumpf- und Hüftmuskulatur in der Lage deutlich größere Kräfte aufzubringen als eine einzelne Beinbewegung, so dass sich durch einen koordinativ richtigen Einsatz der Hüfte schnellere Drehungen realisieren lassen.
Die Drehung wird also durch einen starken nach hinten gerichteten Impuls der Hüftseite ausgeführt, zu der sich gedreht werden soll. Das sollte sich für Ungeübte anfangs so anfühlen, als hinge das dazugehörige Bein nur lose an der Hüfte und folgt bei der Drehbewegung dieser.
Drehung fußballspezifisch trainieren
Vor Beginn der Übungen sollte ein kurze Erwärmung und Mobilisierung der Muskeln und Gelenke erfolgen!
Danach kann mit der ersten Bewegungserfahrung begonnen werden, um die Vorteile des Hüfteinsatzes bewusst zu machen:
- Drehen auf der Stelle, mit gestreckten und angezogenen Armen. Dabei den Unterschied zwischen den Drehgeschwindigkeiten herausarbeiten. Danach die Übung mit gebeugtem und aufrechtem Oberkörper ausführen, um den Vorteil der aufrechten Stellung zu zeigen. Hier sollte man explizit darauf eingehen, das die Drehung schneller wird, je mehr Körpermasse sich möglichst nah an der gedachten senkrechten Drehachse befindet.
- Anschließend eine kurze “Trockenübung” der Drehung durch bewusstes impulsartiges Bewegen jeweils einer Hüftseite nach vorn und nach hinten. Dabei unbedingt auf beiden Seiten beide Richtungen üben.
- Senkrecht Hochspringen und in der Luft eine möglichst große Drehung durch Hüftimpuls durchführen.
Wichtig ist, dass senkrecht abgesprungen wird und erst in der Luft die Hüftbewegung erfolgt wie hier gezeigt:
Danach schließt sich ein spezifisches Lauf-ABC an:
- Nachstellschritt 45° vorwärts, bei jedem Schritt das vordere Bein wechseln und auf bewussten Hüfteinsatz achten
- Nachstellschritt 45° rückwärts, bei jedem Schritt das vordere Bein wechseln und auf bewussten Hüfteinsatz achten
- Sidesteps (tiefe zentrale Stellung, Knie etwa 70° gebeugt), 180° Drehung über den Bauch (hintere Schulter vor dem Gesicht entlang), Drehimpuls durch Hüftbewegung auslösen
- Sidesteps (tiefe zentrale Stellung), 180° Drehung über den Rücken (hintere Schulter hinter dem Gesicht entlang), Drehimpuls durch Hüftbewegung auslösen
Bei Übung 3 und 4 darauf achten, dass das Gewicht gleichmäßig auf beide Beine aufgeteilt ist und sich der Oberkörper mittig und aufrecht über den Beinen befindet. Zusätzlich stets Spannung der Bauchmuskulatur einfordern.
Partnerübungen:
- Spieler A und B stehen sich eine Armlänge entfernt gegenüber (unter “Coronabedingungen kann man den Abstand vergrößern indem man mit Slalomstangen den Arm verlängert). Spieler A versucht Spieler B an der Schulter zu berühren, Spieler B versucht durch Hüftdrehung, die Schulter nach hinten zu bewegen ohne getroffen zu werden.
- wie 1, jetzt mit zusätzlichem Sidestep nach der Drehung (im Karate wäre das in etwa die Stellung Kiba Dachi mit anschließendem Yori Ashi)
- Spieler A und B stehen ca 2m voneinander entfernt. A dribbelt den Ball mit permanenten Richtungswechseln, B reagiert mit entsprechender Rückwärtsbewegung, 45°-Drehung und folgendem Sidestep um A nach Außen zu lenken. Es geht nicht um eine direkte Balleroberung, sondern nur um eine Reaktion auf die Richtungsänderungen des Gegners
Die Übungen sollten anfangs langsam ausgeführt werden, nach und nach die Geschwindigkeit steigern. Die Trainingspartner idealerweise immer wieder durchwechseln, um viele Variationen zu erzeugen.
Übungsformen 1 vs 1:
- Eine Gasse 20m lang und 5m breit aufbauen. Spieler Blau starten gemeinsam mit einem Ball und passen ihn sich zu, während sie sich auf das andere Ende der Gasse zu bewegen. Spieler Rot startet ca 5m entfernt in der Gasse und versucht durch die geübte Rückwärtsbewegung, den jeweils Ballführenden nach außen zu lenken (noch keine aktive Balleroberung). Coachingpunkte: bewusste Drehungen von Rot und schnelle Reaktion auf die jeweiligen Pässe einfordern
- Übung als aktiver Wettkampf, Rot versucht den Ball zu erobern
- Aufbau siehe Übungsform 2: Spieler Blau startet mit Ball an einem Minitor, Spieler Rot am anderen Minitor. Spieler Blau kann entweder ein Tor erzielen (2P) oder durch das Hütchentor dribbeln (1P). Spieler Rot verteidigt und kontert bei Ballgewinn auf das gegenüberliegende Hütchentor (1P). Im Anschluss stellen sich die Spieler auf der gegenüberliegenden Seite an. Als Wettkampf durchführen und individuelle Punkte zählen.
Fazit
Das bewusste schnelle Drehen muss gerade im unteren Amateurbereich des öfteren geübt werden um Fortschritte zu erzielen. Die hier vorgestellten Übungen lassen sich gut zu Trainingsbeginn einbauen und nehmen nicht viel Zeit in Anspruch. Je nach Eigenmotivation der Spieler können die Bewegungen auch individuell außerhalb des Mannschaftstrainings geübt werden.
Schaffen wir es unsere Spieler im Detail zu verbessern, wird sich das auch positiv auf das Gesamtergebnis auswirken.